Von Jürgen Kisters – Institut français Köln

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Jürgen KISTERS Writer, Art Critic and Journalist, Cologne, Germany.

Die in Paris und Köln lebende Künstlerin Barbara Thaden zeigt ihre Werke im Institut Francais, 2012.

Innenstadt – Köln und Paris, das ist eine traditionelle kulturelle Achse. Nicht erst seit Napoleons Truppen Köln besetzten und die legendäre Hausnummer 4711 von französischen Soldaten an eine Hauswand geschrieben wurde.

Die Künstlerin Barbara Thaden pendelt seit Jahren zwischen auf dieser Achse hin und her, mit einem ständigen Standbein in beiden Städten. Sie lebt in Paris und atmet dort nicht nur den Alltag der ebenso gewaltigen wie poetischen französischen Hauptstadt. Sie atmet auch den künstlerischen Geist einer Kultur- und Kunstgeschichte, die mehr große Maler hervorgebracht und angezogen hat als jede andere Stadt.

 

In Köln, wo sie im Wechsel gleichfalls lebt, spürt sie wiederum die Kleinteiligkeit und Vertrautheit eines Alltags, in dem die Kunst seit Römerzeiten gleichermaßen zu Hause ist wie das heilige Verlangen, Himmel und Erde harmonisch miteinander verbinden zu können. All das verknüpft die 1960 in Chateaubriant geborene, in Köln aufgewachsene Künstlerin seit Jahren in ihrer bildnerischen Arbeit. Eine Auswahl davon ist im Institut Francais zu sehen.

Die unsichtbare Wirksamkeit von Energiefeldern, die alles Lebendige durchdringen, trifft in ihren großformatigen Gemälden auf das Geheimnis organischer Wachstumsprozesse und körperlicher Gestalten, die sich über ein in alle Richtungen zerrendes Kräftefels unaufhörlich bewegen und verwandeln.

Die Wirklichkeit, die darin zum Ausdruck kommt, ist gewaltig, abgründig, bezaubernd und berauschend. Es wird Zufall sein, dass der Künstler Bernhard Schulze, der ähnliche organische Strukturwelten auf riesige Leinwände brachte und damit die Magie der informellen Malerei schuf, gleichfalls in Köln lebte.

Barbara Thaden peintures 2021
Barbara Thaden Photo Catherine Panchout

Eine kurze Überlegung ist diese Beziehung allemal wert. Zeichenkunst und Malerei, die Kraft der Linie und die der in die Fläche wachsenden Farbe greifen in Thadens Gemälden so selbstverständlich ineinander wie die ornamentalen Elemente und die figürlichen Darstellungen in mittelalterlichen Bildkompositionen.

Tatsächlich springt Thaden über alle bildnerischen Stile und künstlerischen Epochen hinweg, indem sie die abstrakten Finessen der berühmten Ecole de Paris der 1950er-Jahre genauso beherrscht wie die strukturellen Verschachtelungen eines Friedensreich Hundertwasser und die figürlichen Kabinettstücke der figürlichen Zeichenkunst..

Nur bei weitem filigraner, noch komplexer und noch feinfühliger als diese Maler ist Thaden Sie schmiegt sich mit Linien und Farbläufen in die äußere Welt ein, die im Bild zugleich zum Ausdruck der inneren Welt wird.
Barbara Thaden peintures 2021

Die Innenwelt und die Außenwelt erweisen sich als unauflösbar miteinander verflochten. In Gestalten und Schwingungen, die ebenso schwer zu greifen wie wirksam sind. Während sich in den wandgroßen Leinwänden Malerin und Betrachter gleichermaßen in der strukturellen Komplexität zu verlieren scheinen, zeigen die kleinformatigen Zeichnungen der äußerst vielseitigen Künstlerin, dass der menschliche Körper die Bezugsgröße für all diese Erfahrungen ist.

Ein Körper, der sich in seinem eigenen Begehren verschlingt. Ein Körper, der sich mit anderen Körpern verbinden möchte oder sich gegen sie behaupten muss. Ein Körper, der sich verliert, während er sich sucht. Ein Körper, der sich findet, während er sich verliert. Ein Körper, der wild und verletzlich ist im Wirkungskreis seiner eigenen (weiblichen) Sexualität. Und ein Körper, der sich gespalten und wie von tausend Händen berührt erleben kann. In einem Begehren, das gleichzeitig Lust und Angst machen kann.

Das sind die alten existentiellen Themen, zu denen gerade französische Schriftsteller und Philosophen viele aufschlussreiche Leib- und Denkperspektiven entfaltet haben. Etwa Bataille, Klossowski, Barthes, Sartre, Lacan, Duras oder sogar Houellebecq. Thadens Kunst is gleichermaßen sinnlich, psychologisch und literarisch. Literatur scheint wie die Kunstgeschichte eine unverzichtbare Bezugsgröße für die Künstlerin.

Bei all dem hat man allerdings das Gefühl, dass die Pariser Einflüsse und Anregungen für sie bei weitem inspirierender sind. Aber man könnte sich irren. Denn leicht ist das zuvorderst Sichtbare nicht das, was am stärksten wirksam ist.

Institut Francais, Sachsenring 77, geöffnet Mo-Do bis 28.4.2012

Für Kasten:

Künstlerin Barbara Thaden wurde 1960 im französischen Chateaubriant geboren und wuchs in Köln auf. Sie studierte an den Akademien der Schönen Künste in Best und in Rennes. 1985 stellte sie ihre Kunst zum ersten Mal in Paris aus. Seit vielen Jahren pendelt sich zwischen Wohnsitzen in Paris und Köln hin und her.